In einem Interview wurde ich kürzlich gefragt, wie das so war mit meiner Erkrankung, besonders in meinem schlimmsten gesundheitlichen Absturz, wie denn meine Familie damit umgegangen sei?
Zwei Schicksalsschläge brachten mich nun zum Schreiben dieses Artikels. Mein Partner Jan hatte einen Unfall bei der Gartenarbeit und mein Papa erlitt einen Schlaganfall nach einer Hirnkrebsoperation und ist nun pflegebedürftig.
In diesem Artikel möchte ich mit dir meine Gedanken teilen und dir Trost und Perspektive bieten, wenn du es mit einer schweren/langwierigen Erkrankung zu tun hast oder allgemein ein sehr sensibler Mensch bist und das Gefühl hast, dass du zu wenig Verständnis von deiner Familie bekommst oder ihnen eine Last bist.
Außerdem empfehle ich, deinen Angehörigen diesen Artikel ans Herz zu legen, da auch sie Trost und Verständnis gebrauchen könnten und uns selbst manchmal die richtigen Worte und der Blick von außen auf die Dinge fehlen.
Mein Hintergrund
Ich selbst bin schon immer hochsensibel/hochsensitiv gewesen und hatte von Geburt an mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Ab meinem 19. Lebensjahr ging es dann nochmal deutlich bergab, Ende meines 27. Lebensjahres erlebte ich den schwersten Crash meines Lebens mit systemischer Mastzellaktivierung und starken Entzündungen der Haut, des Darmes und des Gehirns, und auch bis heute, mit fast 34 Jahren, kam es immer wieder zu Überlastungssituationen, Durststrecken und schweren Umbrüchen in meinem Leben.
Ich befinde mich nun in der Situation, dass ich durch intensiven Austausch und der Arbeit in den letzten 7 Jahren mit anderen Betroffenen, Heilern und Therapeuten in dem Gebiet und durch das Erlernen der Selbstbeobachtung und Selbstreflektion (seit frühester Kindheit hatte ich diesbezüglich gute Fähigkeiten, ich vermute als Ergebnis von traumabedingter Dissoziation. Körperarbeit, Achtsamkeitstechniken, Coaching, das Verständnis der biologischen Vorgänge hinter dem, was in meinem Körper und Geist vor sich geht, und das Schreiben meines Blogs spielten hierbei mit die wichtigste Rolle beim Vertiefen dieser Fähigkeiten) immer mehr den Blick von außen auf mein Leben und meine Gesamtsituation mit meiner Gesundheit finden durfte.
Die größte Veränderung in meinem Verständnis durfte ich durch meinen (Seelen-)Partner Jan erleben, ebenfalls hochsensibel, plötzlich hatte ich einen direkten Spiegel auf meine Reaktionen und mein Verhalten, denn auch sein System besitzt, so wie bei mir, nicht die Möglichkeit, groß was “zu schlucken”, anzusammeln und anzustauen für später. Er hat eine direkte Art, vor allem sendet aber sein Körper direkte Signale, so wie ich es noch nie zuvor bei einem mir nahestehenden Menschen erlebt habe. Durch eine reine Lebens- und Ernährungsweise (ebenfalls alles zwischen Rohvegan und Keto)und viel Meditation, Yoga, Breathwork und weiterer Modalitäten biochemisch und energetisch (von Seite des Nervensystems) gut “durchgeputzter Kanäle” schmeißt auch sein “KörperGeist” zügig raus, was nicht reingehört. Wie nie zuvor wird mir in diesem Miteinander klar, dass wir einem anderen Menschen nicht wehtun können, ohne uns nicht auch selbst weh zu tun, und dass wir anderen Gutes tun, wenn wir uns gut um uns selbst kümmern.
Im ersten halben Jahr unserer Beziehung schwangen wir ziemlich auf der selben Welle, lebten im fast exakt gleichen Rhythmus, konsumierten und meditierten das Gleiche, und erlebten oftmals sogar, dass wir Symptome wie einen Neurodermitisflatscher genau an der selben Stelle bekamen, oder ich eine Hautreaktion in der Armbeuge und Jan dort Gelenkschmerzen. Allerdings drückten mich in diesem Jahr starke Stressoren, die größte bisherige Veränderung meines Lebens und sehr viel Arbeit nieder, sodass sich die Symptome des Chronic Fatigue Syndromes und der Mastzellaktivierung immer mal wieder meldeten und ich manches Mal nur noch flach liegen konnte, während Jan weiter den Laden schmiss. In Extremsituationen, wenn auch er überlastet war, kam auch Jan mit seinem weichherzigen und sonnigen Gemüt an die Grenzen seines Verständnisses, zum einen als Extremsportler, zum anderen, da besonders die psychischen Symptome ihn ängstigten.
In meiner Vergangenheit, bei meinem starken gesundheitlichen Absturz Ende 2014 und auch bereits in den Jahren zuvor, ja mein ganzes Leben, erlebte ich verschiedene Reaktionen anderer Menschen und meiner Angehörigen:
– Unverständnis
– Wenig Rücksicht
– Ich wurde nicht ernst genommen, es wurde ignoriert oder man versuchte mir einzureden, dass mit mir doch alles in Ordnung und ich normal sei und ich wirklich mein Leben genießen könne (auch von einem Psychologen); Man wollte sich mit meinen Problemen nicht befassen
– Man wandte sich von mir ab, reduzierte den Kontakt zu mir, resignierte
– Man griff mich an, mein Zustand ließ meinem Gegenüber den Kragen platzen
– Es wurde persönlich genommen
– Ich belastete oder ängstigte mein Gegenüber
– Meine Schwäche wurde ausgenutzt
– Man nervte mich mit Ideen, Tipps, Lösungsvorschlägen
– Man drängte mich, etwas zu unternehmen, es in Ordnung bringen zu lassen
– Es wurde verbal viel Sorge ausgedrückt, aber bei der Bitte um Hilfe wurde man alleine gelassen
– Das Gegenüber verfiel in ein Helfersyndrom und übermäßiges Mitleid oder Entmündigung, wollte mich in Watte packen und brachte mich schleichend in einen abhängigen und schwächer als nötigen Zustand
– Ich musste noch den Seelendoktor für den anderen spielen und ihn stärken, weil er mit der Sache nicht umgehen konnte.
– Derjenige, dem ein “Problem” schwarz auf weiß diagnostiziert wurde und sich aktiv damit auseinandersetzt, ist plötzlich auch immer an allem Schuld.
Ich muss natürlich dazu sagen, dass immer zwei dazu gehören, Sender und Empfänger, und vieles zu einem gewissen Grad auch subjektives Empfinden ist. Ein hochsensibles/akut überlastetes/entzündetes Gehirn scannt neurophysiologisch gesehen die Umgebung stärker nach Gefahren und bewertet Situationen schnell über. Ein Kranker befindet sich im “Überlebensmodus”, da verfällt man schnell in Schwarz-Weiß-Denken und Tunnelblick-Wahrnehmung.
Im Großen und Ganzen hat bei mir persönlich all dies dazu geführt, dass ich auf ein recht einsames Quest ging, selber herauszufinden (falls du dich das fragst: Auch Medikamente und Cremes führten zu keinen Lösungen bei mir, sie unterdrücken nur zu einem gewissen Grad Symptome), was bei mir nicht stimmt, und wie ich endlich erblühen kann. Dies führte mich persönlich über all die Jahren zum Aufbau meines Blogs und Etablierung als Gesundheitsexpertin, meiner äußeren sowie inneren Heilung und schließlich vor gut einem Jahr zu meiner Auswanderung und in die Arme meiner großen Liebe.
Und nun haben sich die Verhältnisse umgedreht, Jan hatte einen bösen Unfall bei der Gartenarbeit mit dem Rasentrimmer, die Metallklinge flog ab und verletzte seinen rechten Unterschenkel schwer, beide Knochen gebrochen. Nach zwei Operationen und einer nervenaufreibenden Zeit dank der Coronamaßnahmen (mehr dazu auf Instagram, beginne hier, wenn du die Story verfolgen möchtest) sind wir nun seit einer Woche wieder auf unserer Insel in unserer Quinta (in unserer “Bubble”). Ich dachte zunächst ganz romantisch, ab jetzt würde alles wieder gut werden, ich sorge für meinen Liebsten und pflege ihn im Handumdrehen wieder gesund (siehe hier das Video zu meinem Nahrungsergänzungsmittelshopping). Während zeitgleich daheim in Deutschland meine Mutter Ähnliches für meinen Papa tut.
Doch ging die Geschichte nun in eine ganz andere Phase für uns. Ich muss plötzlich nicht nur den Part eines sehr fitten Mannes übernehmen, muss mich um den großen Garten, die Tiere und um das z.T. noch etwas baufällige und wartungsintensive Haus alleine kümmern, ich muss auch noch jeden Tag kochen und sauber halten für uns zwei sehr anspruchsvolle und hochsensitive Menschen. Dazu Extraaufwand durch die Pflege, Papierkram und Arztbesuche. Bei uns beiden triggert diese Zeit viel Emotionales, Ängste kommen hoch. Meine Angst, als jemand, der es lange mit Erschöpfungssyndrom zu tun hatte, und Jan als jemand, der es sein Leben lang gewöhnt war, körperlich aktiv zu sein und für sich selbst und seine Lieben zu sorgen. Hardcore sage ich euch!
Oh wie ich nun die andere Seite kennen lerne. Vieles von meiner langen Liste von oben, Asche auf mein Haupt, muss ich gestehen, ist mir nun auch meinem Liebsten gegenüber unterlaufen. So schnell kann`s gehen! Obwohl ich doch so gut weiß, wie es ist. Glaube mir, wie viel schwerer ist es da für Deine Angehörigen, die vielleicht noch nie mit längeren und schwereren Gesundheitsproblemen zu tun hatten? Ich wunderte mich ja oft, weil man mir meine Probleme (an der Haut, und später auch der starke Gewichtsverlust) so eindeutig ansehen konnte, und es den anderen trotzdem nicht klar zu sein schien, dass es mir wirklich und echt dreckig geht. Aber selbst mit Jan´s riesigem Klumpfuß und den Krücken passierte es mir, dass es mir einfach auch mal vergessen ging, dass er fast dauerhaft unter ziemlich fiesen Schmerzen und großen Entbehrungen leidet. Am Ende ist doch jeder in seinem eigenen Kopf, in seinen eigenen Problemen drin und man ist ein Mensch mit Grenzen. Da müssen wir auch schauen, wie realistisch unsere Ansprüche sind.
Ich habe nun das Gefühl, dass wir nach einer Woche daheim wieder vereint, aufgrund dessen, da wir beide sehr bewusste und reflektierende Menschen sind (und Jan und ich haben beide in der Vergangenheit ebenfalls jeder für sich Erfahrungen gemacht mit Partnern oder Familienmitgliedern mit Depressionen, Süchten, Krebs uvm.), uns da unsere Werkzeuge angeeignet haben, viel sprechen und gut im Organisieren sind, nun ziemlich fix aus dem Gröbsten rausgekommen sind, den Egokram hinter uns lassen und dadurch tiefer blicken können hinter die Bedeutung der Situation. Auch unsere Nervensysteme haben wir mit unseren Methoden (z.B. auch der Soundtherapie) schnell beruhigt bekommen, was den Kopf klärt.
Weitere Dinge, die aufkamen, möchte ich mir dir teilen, vielleicht ist es dir mal von Nutzen:
-Als ich Jan heute beim Mittagessen fragte, ob er noch etwas haben will oder ob ich mir den Rest nehmen kann, meinte er, dass ich das meiste essen sollte, da ich ja jetzt hier viel körperlich arbeite und er nur rumliegt. Ich protestierte! Eine schwere Verletzung und Entzündungen auszuheilen ist super harte körperliche Arbeit (auch wenn man z.B. an einer Autoimmunerkrankung leidet)!
-Über eine andere Sache machte ich mir Gedanken: Das Aufgehen in der Aufgabe, den Kranken/Schwächeren zu versorgen, die Gefahr der Selbstaufgabe, die eigenen Projekte und Lebensziele, die eigene Gesundheit aus den Augen zu verlieren. Tappe nicht in diese Falle! Ich selbst habe mich Gott sei Dank von meinem Helfersyndrom weitestgehend geheilt, sonst wäre ich heute sicherlich am Ende. Lass es mich so ausdrücken: Wenn schließlich beide crashen, ist alles am Arsch.
-Die einzigartigen Geschenke des Sensiblen/”Kranken”/”Schwächeren”: (Wir könnten hier nun das Konzept “Krankheit” an sich ewig auseinanderpflücken und hinterfragen, doch das mal als Artikel für die Zukunft.) Ich erlebte, wie stark der scheinbar schwächere Partner sein kann, wie viel unfassbar Wichtiges er zu geben hat. Wie sehr man auf die kranken Teile schaut und dabei all die hochfunktionalen Teile übersieht. Jan´s geistige Fähigkeiten treten nun mehr zu Tage, alleine schon seine ruhige Präsenz und seine Fähigkeit, mir zuzuhören und mit seinem ganzen Sein für mich da zu sein, gibt mir so viel und heilt auch etwas, das bei mir im Inneren verletzt wurde, als ich den Unfall und die Zwangstrennung miterleben musste. Mein Tipp von daher: Bleibt auf Augenhöhe. Werdet noch mehr zum Team und findet, wo ihr euch so richtig ergänzen könnt! Und seht auch die inneren Verletzungen, Ängste und Mängel des “Gesunden”/”Starken”.
Zum Abschluss: Jan´s und mein Fazit, was wir dir mit auf den Weg geben wollen
Was für beide Seiten gilt, was wir als die beste Umgangsweise ansehen: Die Verbindung ins Innere finden/wahren. Selbstliebe üben (gerade wenn man doch mal in ungesunde Muster fällt!). Die Balance im Leben wahren. Sich stets an die gemeinsamen und auch eigenen höheren Ziele erinnern/ sich neue suchen. Präsent sein, in Liebe und Achtsamkeit. In sich reinhorchen. Welche Gefühle/Ängste/Bedürfnisse/Erinnerungen ruft es in mir hervor, meinen Lieben so zu sehen/ so gesehen zu werden? Welches Muster triggert es in mir? Befasse dich dafür mal mit dem Dramadreieck.
Ich muss sagen, dass mir diese Geschichte sehr hilft, da nochmal sehr tief in die Vergebung und das Loslassen dieser Teile meiner Vergangenheit hineinzugehen. Ja, ich habe die Erfahrung gemacht, dass wenn wir etwas partout nicht loslassen können und etwas arg Verurteilendes in uns tragen, dass das Leben dann einen Weg finden wird, wie wir in die Demut kommen. Und ich bin meiner Familie und Freunden unendlich dankbar und sehe nun auch viel mehr all das Wunderbare, was sie mir gegeben und wie sie mich nach ihren Kräften und Möglichkeiten unterstützt haben in dieser Zeit und dadurch sehr sehr viel Möglichkeit und Raum zur tiefen Heilung.
Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht? Mich würde es brennend interessieren, davon zu hören. Bitte teile mit uns, wenn du etwas zu ergänzen hast oder dich darin wiederfindest.
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Hi Doro,
alles Gute für Deinen Jan und Dich ! Mir scheint es, dass wir immer wieder mal einen gesundheitlichen Querschläger verkraften müssen, der uns in die Demut bringt. Ich sage mir dann immer, es hätte noch schlimmer kommen können. Der Schutzengel hat schlimmeres verhindert, aber ganz ohne Lektion ging es halt nicht. Der Schutzengel hat auch nur ein begrenztes Schutzimmunsystem, was zu der Frage führt, wie man das stärken kann. Vielleicht öfters mal eine gute Tat? Ich hab jetzt mal einen alten verwahrlosten Baum gepflegt, dessen Eigentümer ich gar nicht kenne und mich dabei sehr gut gefühlt. Jetzt ist auch mein Schutzengel zufrieden, hoffe ich 😉 Herzliche Grüße aus Wiesbaden! Helmut
Lieber Helmut,
dein Beitrag hat mir ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert. =) Soo gut ausgedrückt, jaa ich stimme dir voll uns ganz zu mit den “gesundheitlichen Querschlägern”, das Leben ist nun mal das Leben, wir leben nun mal nicht im Paradies. Ja, in dem Thema steckt so enorm viel drin… Worum geht es überhaupt auf dieser Erdenreise? Bestimmt nicht darum, möglichst ohne Macke hier rauszukommen.^^ Die “Seelenlektionen”, die wir auf unserem Weg lernen dürfen, sind meines Erachtens das Allerwertvollste, und wenn das Schicksal/Gott/Universum/…. uns so ne Nummer zutraut, dann hält man uns auch für würdig/stark genug für die nächste Klasse. Stichwort Bäume, eine Kursteilnehmerin empfahl mir, mit den Naturgeistern meines Waldes in Kontakt zu treten. Das hat mir sehr zu denken gegeben. Worum es auch in meinem neuesten Ebook zum achtsamen Essen geht, so oft verfallen wir darein, dass wir anfangen, uns zu schnell durchs Leben zu bewegen und den Kontakt zum Hier und Jetzt zu verlieren. Jan und ich sprechen viel über das, was passiert ist, und es liegt so unfassbar viel Segen darin. Ja, wieder einmal neue Demut und Weichheit gewinnen. Wir genießen die Verlangsamung und auch unseren Garten viel mehr, sind wieder viel dankbarer und mitfühlender, auch uns selbst gegenüber, geworden, und ich entdecke ungeahnte Stärken.
Die besten Wünsche dir! Doro