Zurück ins Leben – Interview mit Renate Vollmer

Renate ist seit geraumer Zeit Leserin meines Blogs und nahm vor einigen Monaten Kontakt mit mir auf. Wenige Wochen später erhielt ich ein Päckchen von Teneriffa mit ihrem “etwas anderen Mutmachbuch“.

Hier der Klappentext: “Die Autorin, die 24 Jahre an der Seite ihres Mannes als Therapeutin und ebenso an den unter seinem Namen erschienenen Büchern mitarbeitete (z.B. “Gesunder Darm, gesundes Leben” und “Neurodermitis natürlich heilen” Joachim Bernd Vollmer), beschreibt mit ihrem berührenden Mutmachbuch ehrlich und mit einem Augenzwinkern auf sehr lebendige und humorvolle Weise den Weg ihrer Heilung nach dem schwesten Verlust ihres Lebens und das große Geschenk, eine neue Liebe finden zu dürfen, sowie auch eigene große Herausforderungen anzunehmen und trotz Querschnittlähmung nach einer gerissenen Aorta wieder laufen zu lernen. Amüsante Geschichten aus dem Alltag und dem Leben mit vielen Tieren auf ihrer Finca auf den Kanaren runden das Buch unterhaltsam mit ab.”

Als ich das Buch schließlich zu lesen begann, war es in einer Situation, wo ich mich selber für dieses Jahr mit einem zweiten großen Verlust konfrontiert sah (erst die schwerste Trennung meines Lebens dieses Frühjahr, für die die Zeit aber gekommen war, die für heftiges Chaos in meinem ganzen Leben gesorgt hat, und dann, genau ein halbes Jahr später, meine drei mir nähesten Männer meines Lebens (mein Seelenpartner, mein Papa und mein Kater) (dank Corona für mich unerreichbar) in der Klinik. Verfolge die komplette (2.)Story auf Instagram, Start hier.

Ich muss sagen, ich war in der Situation so mit den Nerven durch, dass ich erstmal nur die ersten und letzten Kapitel gelesen habe, was ich sonst echt nie tue bei einem Buch. Aber ja, jetzt brauchte ich ein Mutmachbuch. Und Renate ist nicht nur eine interessante Frau, von ihr fühle ich mich auch sehr verstanden, da sie ein ähnliches Leben lebt wie ich und die gleiche Einstellung zu Gesundheit besitzt. Auch sie hat alle Nummern durch, selbst sehr krank und auf Pflege angewiesen zu sein, und, so wie ich gerade, kranke Angehörige zu pflegen. Tollerweise ergab sich ein weiterer Austausch und im Zuge dessen dieses schriftliche Interview. Viel Freude damit! Lasst gerne einen Kommentar für Renate da! Wenn der Wunsch von euch da ist, frage ich sie nach einem zweiten Interview zu Darm- und Hautgesundheit und Naturheilkunde.


Renate Vollmer

Doro: Liebe Renate, wie ist das, für einen kranken geliebten Menschen sorgen zu müssen, an welche Grenzen stößt man da, was ist das Schwierigste an der Situation?

Renate Vollmer: Für mich bestand der schwierige Balanceakt darin, meinen Sorgen und Ängsten nicht zu großen Raum zu geben, dafür aber mit meinen eigenen Energien zu haushalten und Möglichkeiten zu finden sie wieder aufzutanken, sei es mit meinen Tieren, in der Natur, mit schöner Musik, ein Plausch mit lieben Freunden und einfach mal gar nichts tun.

Doro: Was würdest du jemandem in einer solchen Situation für Worte mit auf den Weg geben?

Renate Vollmer: Wenn es irgendwie geht, sich ganz bewusst und ohne jegliches schlechtes Gewissen kurze Verschnaufpausen zu gönnen.

Doro: Was würdest du einem Kranken, der Sorge hat, eine Belastung für seine Angehörigen darzustellen, mit auf den Weg geben?

Renate Vollmer: Puh, das ist eine schwierige Frage, denn das wird vermutlich jeder nach seiner eigenen Persönlichkeit leben. Dankbarkeit für alles was war und alles was kommt ist in meinen Augen ein sehr wichtiger Schlüssel zur Zufriedenheit. Unzufriedene Menschen stellen für pflegende Angehörige eine weitaus größere Belastung dar als zufriedene Menschen.

Doro: Und was einem Kranken, der das Gefühl hat, von seinen Angehörigen nicht verstanden oder unfair behandelt zu werden?

Renate Vollmer: Möglichst neutral darüber zu sprechen. Ohne Vorwurf, alten Verletzungen oder gar Verdächtigungen, sich auch die andere Seite anzuhören. Meist liegt es nicht an einem alleine wenn eine Situation sich ungut anfühlt.

Doro: Die Reaktion deiner Mitmenschen: Was unterstützt wirklich einen Menschen in einer Krisensituation, was sollte man unterlassen?

Renate Vollmer: Besserwisserei, Klugscheißerei, frei nach dem Motto „das hab ich Dir ja schon vorher gesagt, oder hätte ich Dir gleich sagen können“ hilft absolut niemandem in Krisensituationen. Je nach Krise ist die beste Hilfe einfach nur mal da zu sein, manchmal auch still in den Arm zu nehmen und zu halten und anzubieten, dass man da ist. Nicht jeder wird von dem Angebot gleich Gebrauch machen können, aber es ist gut zu wissen, an wen man sich wenden kann, wenn man Hilfe benötigt.

Doro: Du warst ja selbst bereits in einem Zustand schwersten körperlichen Zusammenbruchs. Was war da los bei dir?

Renate Vollmer: Die Hirnblutung meines Mannes und sechs Wochen später sein Tod trafen mich so sehr, dass eine Teilamnesie meinen Kopf schonend ausklinkte. In intensiver Trauerarbeit fand ich wieder zu mir zurück, lernte genau ein Jahr nach dem Tod meines Mannes meine zweite große Liebe kennen und hätte ihn keine vier Wochen später fast wieder verloren. Krankenkassen die sich trotz korrekter Policen einfach weigerten die Krankenhausrechnung zu zahlen stressten zusätzlich und mein Blutdruck stieg weiter. Mir riss die Aorta und ich überlebte sehr knapp, mit Querschittlähmung und ganz kurz vor der Dialyse. Einem herausragenden Ärzteteam und einer 20 cm langen Aortenprothese verdanke ich mein Leben. Für die Mediziner war mein Überleben ein Wunder und so nannten sie mich auch „das kleine Wunder“.

Doro: Was war für dich psychisch das Belastendste an dieser Situation?

Renate Vollmer: Als mir das passierte war ich gerade 57 Jahre jung und mein zweiter Mann 69. Er war körperlich nicht fit und gelähmt wie ich war hätte ich mich als Belastung empfunden. Interessanter weise hätte ich meinen Mann auch als schweren Pflegefall nicht als Belastung für mich empfunden. Es brauchte ein wenig bis ich verstand, dass mir die gleiche grenzenlose Liebe entgegengebracht wurde, wie ich sie empfand. Und ich bin nach wie vor dankbar dafür, dass ich das erleben darf.

Doro: Was hat dir mitmenschlich da ganz besonders gut getan?

Renate Vollmer: Miteinander Lachen, einfach mal fröhlich sein, nicht nur den Ernst des Lebens im Kopf und im Herzen zu haben.

Doro: Was sind deine wichtigsten geistigen Ressourcen, die dir helfen, Krankheit und Krisen durchzustehen?

Renate Vollmer: Dankbarkeit, Fröhlichkeit, die Gabe immer irgendwo das Schöne im Leben zu sehen, die kleinen alltäglichen Wunder erkennen und schätzen zu können. Außerdem was ich in den Nahtoderfahrungen erlebte und das besagte völlig neutral:  „Alles ist Aktion und Reaktion“.

Doro: Wenn dir jemand sagt, ich bin zu schwach, alleine, habe kein Geld, habe zu wenig Wissen, mein Leben war zu schwer, ich habe schon alles versucht, ich kann es nicht raus aus meiner Situation schaffen… was würdest du demjenigen antworten?

Renate Vollmer: Die Energie folgt der Aufmerksamkeit. Immer. Wer wirklich etwas ändern möchte findet Wege, wer nichts ändern möchte findet noch mehr Probleme.

Doro: Welchen Rat würdest du zum Abschluss jemandem mit auf den Weg geben, der noch auf der Suche nach dem Weg zurück ins Leben nach Krise oder Krankheit ist?

Renate Vollmer: Wunder passieren nicht von heute auf morgen. Je länger eine schwere Lebenskrise oder Krankheit dauert, desto länger ist auch der Weg zurück. Nicht aufgeben, man kann sich auch mal hängen lassen und eine Pause einlegen, aber nicht aufgeben. Ruhig auch mal zurück schauen welche Wegstrecke man bereits hinter sich gelassen hat und auch mal stolz auf sich sein. J

Doro: Mein Blog heißt ja “Philosophie des Gesundwerdens”. Was bedeutet für Dich persönlich “Gesundwerden”, liebe Renate?

Renate Vollmer: Gesundwerden hängt für mich nicht allein mit den körperlichen Gegebenheiten zusammen, sondern viel mehr mit einer tiefen inneren Zufriedenheit.

Danke liebe Renate für deine Zeit und Offenheit!

Hier findest du Renate´s Buch mit ihrer ganz persönlichen Reise des Gesundwerdens!

Ich kann das Buch sehr empfehlen, es ist authentisch und aus dem Leben gegriffen geschrieben, mit viel Humor und einer gesunden Einstellung zum Leben (besonders das Trauerfeierkapitel hat mir sehr gut gefallen). Die inneren Aufarbeitungs- und Heilungsprozesse sind gut rübergebracht und es ist einfach eine inspirierende Geschichte einer beeindruckenden und doch so normalen und bodenständigen Frau.

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