Warum wir die feminine Polarität im Ernährungsbereich wieder brauchen

Wieso haben wir heutzutage so viele Probleme mit der Ernährung und unserer Gesundheit, obwohl so viel Wissen draußen ist und es so viele Experten gibt wie niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit? Täglich werden wir bombardiert mit Zahlen, Fakten und Vorgaben. Wie oft sollen wir kauen, wir vermessen und wiegen uns, zählen Kalorien, achten darauf, wie viele Gläser Wasser wir trinken, wie viele Nährstoffe von was wir prozentual zu uns nehmen, Mineralien hierfür, Aminosäuren dafür, für jeden die passende Diät.

Wir gehen immer mehr ins Detail, ständig werden neue Rezeptoren, Enzyme und biochemische Pathways, neue Möglichkeiten Pathogene zu bekämpfen und auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten zu testen entdeckt. Aber hat uns das gesünder gemacht als Menschheit? Wie vielen Menschen ist mit diesem Graben in den kleinsten Details wirklich langfristig geholfen worden, wenn es um komplexe gesundheitliche Zustände geht? Macht es Sinn, wenn es um multifaktoriell bedingte Erkrankungen geht? Und vor allem, wenn die wichtigste Komponente außer Acht gelassen wird, nämlich die Seele? Kommen wir während unserer Therapien auf dem emotionalen Level überhaupt noch mit?

Wir sammeln immer mehr an Daten und Fakten, Methoden und Diäten, aber sind von unserem Körper völlig entfremdet und spüren unsere eigenen Bedürfnisse nicht mehr. Was ist, wenn ein für Jahre oder jahrzehntelang unterdrücktes Gefühl die Ursache unserer Erkrankung ist? Und uns durch die chronische Stressresponse, die in bestimmten Situationen immer und immer wieder getriggert wird oder durch die Annahme ungesunder Lebensgewohnheiten uns stetig in der Abwärtsspirale hält? Dann können wir natürlich unaufhörlich an den Symptomen herumdoktern, aber sind im Endeffekt wie ein Tier, das seinen eigenen Schwanz jagt, womöglich auf eine recht niveauvolle Weise, mit den neuesten, ausgeklügelsten Diätformen, den teuersten Superfoods und unaussprechlichen Supplementen und Therapien. Doch nur weil sich etwas auf der physischen Ebene manifestiert, heißt es nicht, dass das Problem auch materiellen Ursprungs ist.

In der Leistungsszene sieht es nicht besser aus. “Performance” ist das dominierende Schlagwort, Willenskraft und Disziplin. Immer schneller, muskulöser, immer energiegeladen und mit scharfen Willen. In der Biohackercommunity gilt es, immer mehr an die Grenzen des Menschenmachbaren zu gehen (was von einigen der führenden Köpfen kritisiert wird), durch zum Teil raue Maßnahmen wie Eisbäder und Fasten und neueste Technologien. Für manche mögen dies die zur Zeit richtigen Maßnahmen sein, doch ein großer Teil der Menschen fallen unter den Tisch. Wieso gibt es so viele Diätflüchtlinge und Austherapierte, wenn doch jeder Ernährungsguru uns erzählt, die perfekte Lösung zu haben? Vielleicht weil sie eine Seite der Medaille vergessen haben?

Unsere Medizin, Ernährungslehre, die Sport- und Biohackerszene sind, wenn man sie mal genau betrachtet, stark maskulin dominiert. Was zählt sind die Zahlen und Fakten, die Leistung, das Messbare, die Maßnahmen, die von außen eingesetzt werden wie Medikamente, Supplemente und technische Gadgets. Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, ich liebe direktes Feedback, Fakten und technische Spielzeuge. Doch Informationen und Fakten sind nicht genug, um einem Menschen zu helfen und nachhaltig zu heilen. Da ist so viel mehr, was uns als Mensch ausmacht. Lasst uns einmal die feminine Seite zu Wort kommen lassen: Einfühlungsvermögen, Spiritualität, Intuition, Bauchgefühl.

Ich rede hier nicht von Männern gegen Frauen. Ich rede von grundlegenden Archetypen. Wir alle tragen die femininen und maskulinen Polaritäten in uns. Man spricht auch von der Dominanz der rechten oder linken Gehirnhemisphäre, von Yin und Yang. Logik und Fakten auf der einen Seite, Kreativität und Intuition auf der anderen Seite. Zielgerichtet gegen chaotisch ungreifbar. Ich selbst halte mich für eine sehr ausgeglichene Persönlichkeit was das anbelangt (bin in den Künsten sowie in der Wissenschaft ausgebildet), für eine Frau eher sogar mt einer sehr maskulin geprägten Herangehensweise. Genauso gibt es Männer, die eher mit den femininen Energien mitschwingen, ohne dass dies im negativen Sinne zu sehen ist oder es etwas über die sexuelle Ausrichtung aussagt. Yarrow Willard, der “Herbal-Jedi” aus Kanada, den ich in Finnland kennen lernen durfte, sehe ich als solch einen Mann, der sehr naturverbunden lebt und nach seiner Intuition und Bauchgefühl geht und sich der Heilkraft von Kräutern und Heilpilzen bedient. Ebenso meinen Mentor Marc David, der weniger wie ein Ernährungsberater als vielmehr wie ein Künstler an eine Problemstellung herangeht und mit viel Kreativität und Gespür den wahren Ursachen auf den Grund geht und die Lösung sanft nach außen lockt. Wenn wir beide Welten klug vereinen, statt sie einen Krieg miteinander führen lassen, können wir so viel mehr bewegen und heilen und wieder in den Fluss kommen lassen.

Ich verstehe es mittlerweile so, dass die Medizin maskulin orientiert ist, die Lösung von außen, schnell, zielgerichtet, der Arzt/die Ärztin kommt wie der Held daher, der die Ordnung wieder herstellt mit einflussreichen Maßnahmen, chirurgischen Eingriffen, isolierten chemischen Stoffen oder strengen Diäten. Ich schreibe dies völlig wertungsfrei, ohne Kritik, denn in akuten Fällen kann dies notwendig sein, um ein Leben zu retten. Doch lasst uns auch die weibliche Seite der Heilkunst zu Wort kommen. Sie arbeitet mit langwährender, liebevoller Pflege der Gesundheit, mit Prävention und Nährung von Körper und Geist, mit heilender Berührung wie Massagen, sanften Methoden wie Atmung und Meditation, und mit mysteriösen Substanzen (mit fancy names), deren Komponenten weniger zielgerichtet, als vielmehr modulierend arbeiten, und dem Körper über einen langen Zeitraum darin sanft unterstützen, von selbst wieder sein Equilibrium herzustellen. Diese Seite der Heilkunst arbeitet eher mit komplexen, naturbelassenen Extrakten, Superfoods und Tinkturen, sowie mit kräftigenden Nahrungsmitteln und Nährstoffen. Sie schafft die Grundlagen, den Raum für die Heilung, aber zwingt nichts auf.

Auch die Biohackerszene hat so viel mehr zu bieten als nur die fiesen Eisbäder, Kryokammern, den Reiz- oder Sauerstoffentzug und die Überdruckkammern. Manchmal kann Kälte helfen, einem überstrapazierten Körper (sei es durch ein überschießendes Immunsystem oder ein hartes Training) die Regeneration zu bringen. Doch manchmal sind ganz andere Maßnahmen erforderlich, wie ein heilendes, reinigendes Fieber, ein zur Ruhe kommen und Geborgenheit finden, was die Sauna für mich symbolisiert (meinetwegen kann es auch eine Infrarotsauna sein).

Ich war erstaunt zu erfahren, dass viele in der Biohacker- und Quantified-Self-Szene sich zwar für einen gewissen Zeitraum auf Vermessungsgadgets verlassen, die den Schlaf, das vegetative Nervensystem, die Herzratenvariabilität, den Sport usw. tracken, sie aber der Meinung sind, dass das beste Ergebnis das ist, wenn du diese Geräte irgendwann nicht mehr brauchst. Das Ziel soll gar nicht sein, von diesen Geräten entmündigt zu werden und dass sie am Ende mehr über mich wissen als ich selbst, sondern dass wir über sie wieder ins Bewusstsein kommen und wieder lernen, ein Gespür für die Bedürfnisse unseres Körpers, was gut für uns ist, zu entwickeln (und dass wir irgendwann ohne App dran denken, regelmäßig zu trinken), was ich als wundervollen Ansatz empfinde. Auch mir hat es sehr geholfen, meine Symptome, meinen Schlaf, meine kognitive Leistung, meine psychische Verfassung zusammen mit meiner Ernährung für einen gewissen Zeitraum strengstens zu dokumentieren, doch löste ich mich in der Zeit mehr und mehr von Vorgaben und Empfehlungen von außen und fand mehr und mehr zu meiner eigenen Mitte, zu der Weisheit meines Körpers, die mir mehr über meine Bedürfnisse sagen kann, als alle wissenschaftlichen Daten es jemals könnten.

Ich möchte dazu einladen, einen neuen, ganzheitlicheren Umgang mit unserem Leben, mit unserer Gesundheit zu wagen. Diese Maskulindominanz spiegelt sich doch in allen Bereichen unseres Lebens wieder, schauen wir nur einmal auf Politik, Wirtschaft, unseren Umgang mit Mutter Erde, ja selbst in der Funktionellen Medizin finden wir sie. Wir hören nicht richtig zu (auf unseren Körper, uns gegenseitig), denken nur an den Profit und Vorteil, der für uns herausspringt, denken, dass nur ein bestimmtes Endergebnis von Wert und das Ziel sein kann. Doch so abgedroschen es klingt: Manchmal ist der Weg das Ziel. Manchmal muss man sich ergeben, aufhören zu kämpfen, damit man empfangen kann. In der Antike glaubte man, dass Probleme, z.B. gesundheitlicher Natur, ein Flüstern unseres Schutzengels sind, der uns davor warnt, dass wir vom rechten Weg abgekommen sind. Heute wird nur danach gefragt, wie man ein Symptom schnell wegbekommen und zum Alltag zurückkehren kann.

Auch in Bezug auf die Ernährung kann es von großem Wert sein, die festen, vorgegebenen Pfade zu verlassen und zu beginnen, uns auf das Ungewisse einzulassen, das ungreifbare Chaos der Wandlung (besonders Frauen werden merken, dass sie zu unterschiedlichen Zeiten ihres Zyklus unterschiedliche Nährstoffbedürfnisse haben). Die wertvollste Fähigkeit, die man erlangen kann in Bezug auf die Ernährung, ist es, wieder zu seinem Eigengespür, Bedürfnisbewusstsein, Bauchgefühl, seinen Urinstinkten zurückzufinden, die noch in jedem von uns schlummern. Ja, ich halte dies für möglich, und bringe es jedem bei, der die Offenheit und Geduld dafür mitbringt! Wir sind auch nur Säugetiere mit aufrechtem Gang und eingepackt in schicke Kleidung. Es ist nicht verwunderlich, dass zahllose Diäten scheitern, wenn diese Aspekte nicht mit in die Gleichung einbezogen werden, wenn unseren Körpern etwas aufgezwungen wird, ohne Aspekte wie Genuss, Vergnügen und Gemeinschaft mit einzubeziehen.

Ja, lasst uns das Denken wieder mit dem Fühlen und Sein verweben. Wenn wir uns alleine auf Daten und Fakten verlassen, sind wir verloren, denn alles Menschengemachte ist in irgendeiner Weise verzerrt, beeinflusst durch Interessenskonflikte, engstirnig, voreingenommen, und Dinge werden zu isoliert betrachtet. Neue (oder sagen wir mal: exaktere) wissenschaftliche Erkenntnisse revidieren alte. Was allerdings Jahrzehnte dauern kann; willst du so lange warten? Oder es endlich selber in die Hand nehmen? Zu oft war ich selbst mit felsenfester Überzeugung auf dem falschen Weg, wie ich erst rückblickend verstehen konnte, aber habe es mir die ganze Zeit über eingeredet und rationalisiert, dass etwas gut für mich sei, da es ja von diversen “Experten” “bestätigt” war, auch wenn mein Körper mit immer stärkeren Symptomen immer lauter geschrien hat. Und aus diesem Grund bin ich nun offen für die Polaritäten, für die Balance, die faszinierende Spannung der Gegensätze und die wundervollen Überraschungen des Lebens, die daraus geboren werden.

 

Wer anders ist der Feind der Natur, als der sich für klüger hält als sie, obwohl sie unser aller höchste Schule ist?

Was ist die Hilfe der Arznei anderes als Liebe? ~Paracelsus

The chemicals that are running our body and our brain are the same chemicals that are involved in emotion. And that says to me that . . . we’d better pay more attention to emotions with respect to health.

Emotions are the glue that holds the cells of the organism together. ~Candace Pert

Unsere Symptome als Botschaft unseres Körpers und Lebens

Eine wunderbare Therapieform, die beide Seiten in vollendeter Form vereint:

Soundtherapie

11 thoughts on “Warum wir die feminine Polarität im Ernährungsbereich wieder brauchen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Copyrighted Image