Die große Sehnsucht und die tiefe Angst davor

Gerade wird nebenan meine neue Traumküche aufgebaut. Ich kann gerade nicht viel tun und habe den Profis Platz gemacht. Natürlich sitze ich hier nun wie auf Ameisen, da es sich nun schon seit über einem Monat hinzieht. Und eigentlich schon viel länger als das.

Ich könnte hier jetzt anfangen von der Küche in meiner ersten Wohnung im Ruhrgebiet, die nur aus einer Arbeitsplatte bestand wo unten alles raushing oder dem alten Ding, womit ich die letzten 10 Jahre in Hessen meine Haupt-Gesundwerden-Arbeit betrieben habe, wo nach und nach ein Gerät nach dem anderen ausfiel, wo ich aber zunächst keine Kohle hatte als Studentin, und später klar wurde, dass es mich weiterzieht und ich hier kein Geld investieren wollte. Oder die mentale Programmierung, die ich bezüglich Möbelzufriedenheit von meinen Eltern schon mitbekommen, „ererbt“ habe.

Aber darum soll es hier gar nicht gehen. Ich möchte einfach nur klar machen, dass unsere größten Sehnsüchte sehr vielschichtig sind und einer tiefen Geschichte entstammen. Unsere Biografie fließt mit ein, unsere Erziehung, Zeiten großer Entbehrungen; körperlich, mental, spirituell.

„Und, freust du dich auf deine Traumküche??“, so schrieb meine Familie mir. Kennst du das auch, du hast großes Verlangen nach etwas, erzählst vielleicht jedem, wie wichtig es ist, dass du es endlich bekommst, bist total ungeduldig und findest nichts Schönes mehr am Ist-Zustand, doch wenn es dann soweit ist, willst du am liebsten zurück ins Bekannte, Sichere. Und dir wird klar: Es gibt kein „Jetzt ist einfach alles gut, alle Probleme gelöst“.

So wie es mir mit meiner Küche geht, so erging es mir oft in Bezug auf meinen Körper. Oft freute ich mich auf eine neue Therapie, ein neues Coaching, einen neuen Online-Kurs, auf das neue Ernährungsbuch. Doch als es dann soweit war, kamen auch die anderen Stimmen. Was, wenn es nicht so werden würde, wie ich gehofft hatte, wenn es nicht hält, was es verspricht, wenn es nicht meinen Vorstellungen entspricht, wenn es eine Enttäuschung wird? Und ich werde meinen Teil beitragen müssen, Geld in die Hand nehmen, es wird mich Zeit und Mühen kosten, ich werde selbst aktiv werden und meine bequeme Position aufgeben müssen. Es werden auch mal Dinge schief laufen und Rückschritte geben.

Ist es nicht verständlich, dass wir uns oft das Alte, Vertraute zurückwünschen? Wir sind schnell dabei, mit dem Hier und Jetzt unzufrieden zu sein und dies auf lautstark auszudrücken oder den Druck mit uns herumzutragen (was auf Dauer krank machen kann). Doch den großen Schritt in etwas völlig Neues zu tun, die alten Möbel herauszureißen und wegzuschmeißen oder in Bezug auf die Gesundheit, die Küche auszumisten, den Großteil der Lebensmittel zu verschenken und uns von so manchen auf unbestimmte Zeit zu verabschieden, ungesunde Gewohnheiten aufzugeben, dafür neue Gute zu erlernen und in die Selbstverantwortung zu treten, ist dann nochmal etwas ganz anderes.

Plötzlich sind die Ausreden da. Wir beginnen zu prokrastinieren, die Dinge herauszuschieben. Fakt ist: Die meisten (über 90%!) scheitern hier, gehen nicht weiter. Plötzlich scheint das, was war, was einen so gestört hat, doch nicht mehr ganz so schlimm.

Und es macht Sinn. Unser Gehirn sendet uns kräftige Zweifel, denn Änderung bedeutet immer große Anstrengung und somit großen Nährstoffverbrauch für unser Gehirn. Es muss Neues gelernt werden, was sogar mit leichten entzündlichen Reaktionen einhergeht! Immunzellen im Gehirn schweißen regelrecht an unseren Neuronen herum und bewirken strukturelle Veränderungen. Vor so etwas hinterfragt unser Gehirn natürlich erstmal kräftig! Auch die alten synaptischen Verbindungen wollen nicht, dass ihnen die Nährstoffzufuhr abgestellt wird, man sie absterben lässt (ja, auch Zellen führen ihr Eigenleben und besitzen ihre eigene Agenda).

Wenn wir einfach für einen Moment innehalten, spüren wir vielleicht Angst, Trauer, vielleicht auch eine wütende Genervtheit. Und das ist okay, das ist normal. Ein kleines Signal unseres Gehirns: Achtung, hier passiert etwas Wichtiges. Schau genauer hin. Kampf oder Flucht? Nein, einfach nur präsent sein mit den Gefühlen. Größer als sie werden. Sie werden immer dazu gehören. Immer und immer wieder. Bei jeder neuen Stufe, die wir erklimmen. Ein altes Naturgesetz. Die nur ca 1% der Menschen, die es in der heutigen Zeit geschafft haben, ihre Gesundheit in die eigene Hand zu nehmen, haben dies irgendwann begriffen. Es ist ihr Geheimnis.

Ein großes Geheimnis in Bezug auf meine Projekte, meine Ernährung, mein Gesundwerden, meine Selbstständigkeit, meine Beziehung, meine Freundschaften, mein Auswandern: Wenn ich mich für eine Sache entschieden habe, war es immer ein All-In: Ich habe mich ganz darauf eingelassen, mit allen Risiken. Auch das alleine schon war oft ein jahrelanger Prozess mit viel Hin und Her und enormen Zweifeln und Ängsten, aber ab irgendeinem Zeitpunkt kam die bewusste Entscheidung dafür. Irgendwann war eindeutig eine Mauer überwunden. Ab dann gab es kein Zurück mehr. Natürlich kann ich nicht sagen, ob es letztlich die richtigen Entscheidungen waren, ob diese Wege für immer die richtigen sein werden, wie es ausgeht (ich mach das mit dem Leben auch zum ersten Mal). Aber ich habe verstanden, dass das Leben mich erst dann richtig beschenken kann, wenn ich meinen Teil, meine 50% der Gleichung gebe.

Und einfach weiter gehe. Die Ängste und Zweifel ernst nehme, aber sie auch nicht zu hoch bewerte.

Das Warten hat sich gelohnt!

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