Bericht: Besichtigung des ALCAT-Labors in Potsdam

Anfang Mai hatte ich einen mir persönlich sehr wichtigen Termin in Potsdam: Ich war eingeladen worden, das Alcat-Labor zu besichtigen, die Tochtergesellschaft des Unternehmens Cell Science Systems mit Hauptsitz in Florida.

Die Geschäftsführerin Anja Noa Koch hatte ich Ende März auf dem Krebskongress der Akademie für menschliche Medizin von Prof. Dr. med. Jörg Spitz in Frankfurt am Alcat-Messestand kennen gelernt. Von dem Alcat -Test hatte ich bislang noch nichts gehört, mir waren nur die Tests auf Antikörper (IgE, IgG) geläufig. Doch viele kennen das Problem: Man spürt, man verträgt ein Lebensmittel überhaupt nicht, hat vielleicht mit stark verzögerten aber dennoch eindeutigen Symptomen zu kämpfen (oft bei Neurodermitis, aber auch vielen anderen Erkrankungen der Fall) aber es lässt sich nichts nachweisen und oft auch nicht sicher einschränken, um welches Lebensmittel es sich handelt. Von Frau Koch fühlte ich mich sofort verstanden, vor allem, als sie berichtete, dass sie selbst in ihren 20ern mit schwerer Neurodermitis am ganzen Körper zu kämpfen gehabt hatte!

Geschäftsführerin Anja Noa Koch

Als sie mir die Theorie hinter dem Alcat -Test erläuterte, war ich sofort fasziniert: Es geht hier um die direkte Zellreaktion von Leukozyten (unseren weißen Blutkörperchen, die der Immunabwehr dienen) auf Lebensmittel, Medikamente und chemische Zusatzstoffe. Im Gegensatz zu einer Soforttyp-Reaktion (IgE), die eine Reaktion des adaptiven, angepassten Immunsystems ist, handelt es sich hier um eine Reaktion der angeborenen, unspezifischen Immunsystems und kann auf grundsätzlich alle Substanzen erfolgen, nicht nur auf Proteine. Im Gegensatz zur Soforttyp-Reaktion (der “echten Allergie”) wird diese Reaktion nicht über Antikörper (Immunglobuline, Ig) vermittelt, sondern läuft direkt über die Zelle.

Hier wurde ich natürlich sehr hellhörig, hatte ich bei meinen Recherchen zu den Mastzellen, die ich für die Hauptakteure in der Entstehung von Neurodermitis, Reizdarm und vielen neurologischen Problemen halte, ebenso die wichtige Erkenntnis erlangt, dass diese nicht nur “klassisch” über IgE, sondern auch über alle möglichen anderen Stoffe unmittelbar getriggert werden. Diese Stoffe können sein: Nahrungsmittelbestandteile (natürliche oder künstliche Zusatzstoffe), allgemein chemische Stoffe, Toxine (von außen aufgenommen über die Atmung, die Haut oder den Magen-Darm-Trakt oder in unserem Körper gebildet durch schlechte Bakterien).

Mastzellen sind Leukozyten, die in unserem Gewebe angesiedelt sind, aber genau dasselbe geschieht mit den im Blut zirkulierenden neutrophilen Granulozyten, die der Alcat-Test anhand einer Blutprobe untersucht. Da unsere Immunzellen im gesamten Körper im Austausch stehen über chemische Botenstoffe, können durch einen unvertragenen Stoff im Blut aktivierte neutrophile Granulozyten z.B. unsere Mastzellen in der Haut alarmieren, die dann ihre Kampfstoffe wie Histamin und freie Radikale abgeben, was zur Entstehung von Ekzemen, Quaddeln oder anderen Erscheinungen führt. Vielleicht werden auch erst die Mastzellen in der Darmschleimhaut alarmiert, die wiederum die im Blut zirkulierenden Leukozyten alarmieren und die dann Mastzellen in anderen Körperbereichen alarmieren… Wahrscheinlich ist auch, dass ein durchlässiger Darm (leaky gut syndrome) vorliegt, wenn jemand auf auffällig viele Lebensmittel übersensibel reagiert, da Nahrungspartikel ins Blut gelangen und dort die Immunzellen alarmieren. Wie auch immer es im Detail abläuft, die Herangehensweise ist immer die selbe. Wenn der individuell schädliche Stoff bekannt ist, ihn meiden und gleichzeitig das Immunsystem stärken (z.B. durch Darmsanierung, denn im Darm liegt 70-80% unseres Immungewebes und die Darmwand muss gesund und dicht sein). So kann der Körper regenerieren und wird wieder widerstandsfähiger, sodass in vielen Fällen vorher unverträgliche Nahrungsmittel sogar wieder vertragen werden und es zu deutlich milderen Reaktionen auf andere Stoffe wie Pollen und Schimmel kommt.

Was aber wirklich noch erst ins Allgemeinwissen durchdringen muss: Es geht nicht nur um die “typischen allergischen” Symptome wie Reaktionen mit dem Darm, der Haut oder den Atemwegen. Es kann zu schleichenden, chronischen Entzündungsvorgängen im gesamten Körper kommen (eben durch die Ausschüttung der Kampfstoffe der Immunzellen, wenn diese Tag für Tag gereizt werden). Man spricht hier auch von “stiller Inflammation”. Diese Reaktionen sind in den meisten Fällen weniger heftig als eine akute allergische Reaktion, oft schleichen sich körperliche Beschwerden ein, die einem in gewisser Weise normal erscheinen. Man schiebt es dann auf die Frühjahrsmüdigkeit oder das Alter. Im Grunde kann jedes Organsystem betroffen sein. Der Konsens in der modernen Medizin wird immer mehr, dass die meisten chronischen Erkrankungen (“Zivilisationserkrankungen”) durch chronisch entzündliche Prozesse verursacht werden, aber das bedeutet auch, dass man hier einen guten Ansatzpunkt hat! Es ist die Rede von Erkrankungen wie: Erkrankungen des Verdauungstrakts, Hauterkrankungen, Atemwegserkrankungen, neurologische und psychische Erkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs,  Autoimmunerkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparats, Stoffwechselerkrankungen und chronisch infektiöse Erkrankungen.

Schau dir hier das Interview mit Frau Koch an mit Infos zu Forschung und Hintergründen sowie Vorgehensweise bei der Testung.

Bei meiner Laborführung erklärten Frau Koch und ihre sehr freundlichen Angestellten mir, wie die eingesendeten Blutproben dann weiterverarbeitet werden. Zunächst müssen die weißen Blutkörperchen (die Immunzellen) von den roten Blutkörperchen getrennt werden, denn diese braucht man bei dem Test nicht. Es wird obendrein die Zellzahl gemessen, damit vergleichbare Ergebnisse erzielt werden können. Die Proben eines Patienten werden dann maschinell in bereits vorbereitete und mit den chemischen und Nahrungssubstanzen bestückte Testkassetten pipettiert.  Frau Koch erklärte mir, dass die Nahrungsmittel, aus denen die Proben gewonnen werden, ausschließlich von Bioqualität sind, damit keine unerwünschten chemischen Substanzen das Ergebnis verfälschen.

Nach einer bestimmten Inkubationszeit bei Körpertemperatur erfolgt dann die Messung. Es wird geschaut, ob die Immunzellen ihre Form verändern oder sogar platzen, als Folge einer immunologischen Reaktion auf die getestete Substanz. Dies geschieht vollautomatisch mit Hilfe des speziell entwickelten Geräts “Robocat” über Durchflusszytometriemessung, bei der einfach ausgedrückt die Zellgröße gemessen wird. Bei einer sehr starken immunologischen Reaktion ist eine verminderte Zellzahl nachweisbar, da in dem Fall viele Zellen geplatzt sind (Degranulation). Ein Computer vergleicht das Ergebnis dann mit Kontrollproben vom selben Patienten, denen keine Substanzen beigemischt wurden.

So kann man am Ende dem Patienten eine Liste geben mit verträglichen und unverträglichen Nahrungsmitteln. Je nach Stärke der Reaktion soll man eine Karenz (Eliminationsdiät) von 3 bis 6 Monaten einhalten. Das Immunsystem und das geschädigte Gewebe können sich in der Zeit erholen. Vermutlich kommt es zu weiteren, bisher noch unbekannten Veränderungen im menschlichen Körper, z.B. beginnt das Immunsystem diese Stoffe “zu vergessen” und bildet nach einiger Zeit neue Immunzellen, die nicht sensitiv gegenüber diesen Stoffen sind, die dann keine Reaktion mehr zeigen und das Leben kann wieder normal weiter gehen. Meines Erachtens spielt außerdem eine allgemein gesunde Lebensführung eine ganz wichtige Rolle, um den Körper wieder in die Balance zu bringen, sodass er sich weniger “bedroht” fühlt und das Immunsystem nicht mehr überaufmerksam sein muss, denn wie wir mittlerweile wissen, machen sogar Stresshormone unsere Immunzellen empfindlicher und können sie triggern! Aber auch, wie gut wir mit Mikronährstoffen und gesunden Fetten versorgt sind entscheidet darüber, ob unser Körper gesunde oder kranke Immunzellen bildet.

Ich werde demnächst selber getestet und werde berichten, wie gut es mit meinen eigenen Beobachtungen meiner Ernährungs- und Symptomtagebuchführung übereinstimmt und ich damit noch mein Wohlbefinden verbessern kann. Edit: Hier zu meinen Ergebnissen.

Wer mehr über die Hintergründe erfahren will, kann hier mehr über Studien über den Alcat-Test erfahren.

Ich stehe in keiner finanziellen Verbindung mit der Firma, sondern schreibe aus reinem Interesse und zu Informationszwecken über dieses Thema.

2 thoughts on “Bericht: Besichtigung des ALCAT-Labors in Potsdam

  • 7. Juni 2017 at 8:37
    Permalink

    Hallo Doro!
    Sehr interessant und spannend dieser Artikel von dir. Ich bin schon gespannt, was bei deinem Test herauskommt und wie das Ergebnis mit deinen Erfahrungen übereinstimmt.
    Vielleicht werde ich mich dann entschließen, diesen Test auch zu machen.
    Übrigens ich habe einen interessanten Artikel allgemein über Food Intolerance Testing gefunden, der das Ganze etwas aus einem anderen (wissenschaftlichen) Licht betrachtet: http://www.phoenixhelix.com/2016/02/20/why-food-intolerance-testing-doesnt-work/
    Liebe Grüße!
    Josef

    Reply
    • 7. Juni 2017 at 17:08
      Permalink

      Danke für deinen Kommentar Josef. Ich stimme dem Artikel auf jeden Fall zu. Auch unter Laborbedingungen können natürlich Fehler passieren, da es so viele Arbeitsschritte gibt. Ich denke auch, der Fokus sollte nicht in erster Linie darauf liegen, Symptomen hinterherzujagen, sondern den Darm zu heilen, denn dann kann man vieles wieder vertragen, da keine Moleküle mehr ins Blut- und Lymphsystem geraten und das Immunsystem reizen. Ich würde mich auch am liebsten mal für ein Jahr einmal monatlich testen und mir die Entwicklung ansehen, aber das ist natürlich utopisch. Goldstandard sind und bleiben die Eliminations- und Rotationsdiät und das Führen eines Ernährungstagebuchs, denn ich will dass die Leute lernen, wieder die Sprache ihres Körpers zu verstehen und ihre Bedürfnisse wahrzunehmen. Tja, das Immunsystem ist schon komplex und im ständigen Wandel, so wie wir selbst und es gibt vieles, das wir noch verstehen müssen. Es ist nur gut, wenn es einem wirklich schlecht geht, Mittel zu haben, mit denen man sich der Lösung des Problems annähern kann, aber man sollte sich von irgendwelchen Testergebnissen und Diagnosen nie abstempeln lassen, sondern offen bleiben. Es kann aber ein weiteres Teil des Gesamtpuzzles sein.
      Der Test ist mit Sicherheit hilfreich, wenn man irgendwo feststeckt, denn es scheint, dass sich gewisse Intoleranzen ständig wandeln, aber einzelne Unverträglichkeiten für ein Leben lang bestehen können. Auch der Test auf die chemischen Mittel kann sehr hilfreich sein.

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