Tagebuch Azoren Teil III

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8.6.16

DSC_7534Heute Morgen gibt es Cornetbeef für Steffi und mich, yeah! Und von unseren Gastgebern bekommen wir frische Avocados! Dann heißt es wieder, Sachen packen, und ein Freund von Peter fährt uns mit unseren ganzen Vorräten zum Hafen, von wo es dann wieder mit dem Schlauchboot zur Ilhéu da Praia geht. Heute ist die See relativ ruhig, nicht so ein starker Wind und ein fast wolkenloser Himmel mit strahlendem Sonnenschein und richtig sommerlichen Temperaturen! Steffi und ich sind beide ziemlich platt, ich fühle so eine betäubende Glutamat-Müdigkeit, kommt es vom Cornet-Beef? Oder ist es meine eigene Hirnchemie, mein eigenes unbewusstes Sträuben dagegen, mit einer einzelnen Person auf so engem Raum für längere Zeit eingesperrt zu sein, dazu die Aufgaben, die in den langen Wochen nun vor uns liegen? Ich setze noch eine dicke Beinscheibe mit viel Fleisch auf den Gasherd in einem Topf Wasser (das letzte frische Fleisch, das ich für über eine Woche bekommen werde), dann spanne ich mir endlich (lange habe ich es ersehnt!) meine Reisehängematte in einer ruhigen Ecke zwischen den Tamarisken auf und mache einen ruhigen Tag, mit viel Lesen, Dösen und einfach mal nichts tun. DSC_7577Später will ich dann aber doch noch schwimmen, und wage es das erste Mal, die fast 50 Meter hinunter zum Rockpool zu klettern, zum Glück finde ich noch einen nicht allzu verwitterten Pfad an der Steilwand. Ich habe schon etwas Schiss, denn viele Steine sind durch das strenge Wetter locker und brüchig geworden. Endlich habe ich es nach unten geschafft, die untere Hälfte ist nur noch schwarzes, steinhartes und stabiles Magmagestein, das wunderschöne Formen annimmt. Große, rote Krabben bewegen sich gemächlich darüber und verschwinden bei meinem Näherkommen ins Wasser. Das Wasser ist noch sehr kühl, aber unfassbar klar, türkisblau und einladend. DSC_7583Manchmal spritzen Wellen vom offenen Meer über die Felskante des Pools, denn es ist Flut, was das Klettern zum Teil schwierig macht, aber ansonsten liegt der Pool sehr geschützt. Nach ein paar ersten Schwimmzügen, bei denen ich mir die Hand ziemlich an irgendetwas aufschramme, gehe ich noch einmal mit Taucherbrille und Schnorchel rein und bin geschockt, wie knapp ich den Seeigeln entronnen bin, die man so überhaupt nicht sieht. Nach einer Weile des Schnorchels und Erkundens der schönen Unterwasserwelt mit sogar ein paar größeren Fischen wird mir ziemlich kalt und ich lege mich nochmal in einen badewannengroßen Pool, der mit einer flauschigen, flokatimäßigen Alge ausgekleidet und durch die Sonne stark erwärmt ist. Wenn das nicht mal dekadent ist! Gerade, als ich mich wieder angezogen habe, klingelt mein Handy, Steffi hat sich große Sorgen gemacht, weil ich so lange weggeblieben bin. Dann kommt auch noch, als ich beginne hochzuklettern, das Schlauchboot mit Luiz und Joana, den Rangern, um die Insel gefahren. Sie haben noch ein paar Kanister mit Wasser gebracht und wollten gucken, ob alles in Ordnung ist bei mir. Ich winke ihnen zu, sie winken von Weitem zurück (ein Anlegen und mich Einsammeln wäre an der Stelle leider nicht möglich), ich bin gerührt über die Fürsorge, es macht mich aber auch ziemlich nervös, jetzt Zuschauer bei dem langen Aufstieg zu haben, die bei jedem meiner Handgriffe mitfiebern. DSC_0322Beim Hochklettern denke ich, dass ich sie nicht mehr alle hätte, hier runtergeklettert zu sein, und dass ich das nie wieder mache, finde auch erst nicht mehr den Weg, den ich runtergekommen bin, aber dann geht alles glatt und oben wartet schon Steffi auf mich, halb neugierig, wie es war, halb besorgt. Mir schlottern noch etwas die Knie, aber ich bin froh, dieses Paradies erlebt zu haben.

Abends beproben wir noch ein paar Eidechsen, und diese Nacht schlafen Steffi und ich in unseren Hängematten draußen, aber jeder mit einer Ecke für sich, endlich mal wieder lang ersehnte Privatsphäre. Es ist schön, die Mondsichel und den klaren Sternenhimmel durch die Schatten der Tamariskenzweige hindurchschimmern und die großen Schatten der Sturmtaucher und Sturmschwalben dicht über sich hinweggleiten zu sehen, gepaart mit diesen bizarren Gesängen. Sonderlich gut und tief schlafe ich diese Nacht allerdings nicht, die Luft ist extrem feucht und vor allem meine Füße sind eiskalt, selbst Steffi mit ihrem super-Thermoschlafsack erging es so.


9.6.

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Arrangement von Steffi und mir

Das Wetter wird wieder schlechter, wir können nur ein paar Proben an Sturmschwalben sammeln, ansonsten können wir nicht viel machen. Das Aufregendste, was passiert, ist dass wir einer der wilden Wachteln unbemerkt so nah kommen, dass sie direkt vor unseren Füßen wild aufflatternd flüchtet und uns einen gehörigen Schrecken einjagt. Meine Eidechsenfallen von vor einer Woche, die ich in der Abstellkammer gelagert hatte (aufgeschnittene, leere 5-Liter Wasserkanister), finde ich zu meinem Entsetzen stark verschimmelt vor, vielleicht hätte ich die Überreste vom Köder, Tomatensoße (sehr beliebt bei den Eidechsen) und Banane, vor unserem letzten „Landgang“ auswaschen sollen… Abends machen Steffi und ich eine Art Pfanncookies, aus Reis- und Maniokmehl, Eiern, gehackten Datteln und dunkler Schokolade, ein paar Löffeln Kollagenpulver, Wasser und zermatschten Bananen, gebraten in Kokosöl.


10.6.

Wetter immer noch recht mies. Ich kriege einen ziemlichen Moraleinbruch, fühle mich ziemlich depri, vermisse meine Leute daheim, fühle mich einsam und verloren und abgeschnitten von der Welt, auch so ohne Internet. Schlafe nachmittags lang. Dicker Nebel hüllt die Insel ein, aber so kann ich bei Ebbe auch mal vorne zu den guten und heute nicht von der Hauptinsel einsehbaren Felsen und mir Lapas, diese Napfschnecken, sammeln. Wie sie dann so auf meinem Teller liegen und sich lebhaft regen und versuchen, sich umzudrehen, tun sie mir schon ziemlich leid. Wie leicht es doch wäre, jetzt einfach diesen Teller zu nehmen und sie wieder freizulassen. Aber ich bin nunmal auch ein lebendes Wesen und lebe von anderen Lebewesen, und wenn es sie nicht sind, dann sind es andere, die ich essen muss, um zu funktionieren. Und sie hatten ein gutes Leben und werden mir besser tun als alles, was ich ansonsten auf dieser Insel bekommen könnte. Ich sehe zwar schon hin, lasse meine Gedanken aber nicht unnötig spielen, als ich dann ein Dutzend Schnecken aus ihren Schalen schneide und verzehre. Mollusken und Insekten sind aber bislang die einzigen Tiere, die ich selbst geschafft zu töten.

Abends massiert mir Steffi meine vom Rucksack und vielen schweren Vorratskisten und Wasserkanistern schleppen stark schmerzenden und verspannten Schultern, danach fühle ich mich insgesamt körperlich deutlich besser.


11.6.

Sehr sehr windig, aber später klart der Himmel richtig schön auf! Graciosa liegt vor uns in eine dicke Wolke eingehüllt, wie als würde sie von einem Ufo verschlungen werden. Ich telefoniere mit Peter, bei ihnen ist es sehr neblig und trüb, auch die anderen Hauptinseln scheinen in Wolken eingeschlossen zu sein. Wir stehen hier auf unserer einsamen Insel gerade wie außerhalb der Realität. Wir beringen und beproben noch ein paar Vögel, ich krache in einen Hohlraum ein, zum Glück nur einen halben Meter und keine Vögel drin, aber schon ein ziemlich mieses Gefühl, wenn unter einem der Boden nachgibt… Finden die letzten Vögel nicht, sind dann beide sehr unmotiviert und lesen und schlafen in der Sonne, etwas windgeschützt hinter der Hütte. Irgendwie wieder so ein Depritag. Schließlich beschließe ich, dass es so nicht weitergehen kann, ziehe meinen Neoprenshortie an und gehe zum ersten Mal richtig ins Meer schwimmen! Es ist schwierig, reinzukommen wegen der Wellen, gerade kommt die Flut, und es werden auch viele Quallen reingedrückt. Eine nesselt mich, ich erschrecke riesig, erst fühle ich etwas Wabbeliges und dann ein Brennen, eine Mischung aus schneidend und Brennnessel, und ich flüchte in Panik aus dem Wasser. Ich habe echt den blanken Horror vor jeglichen Histaminreaktionen! Aber als ich merke, dass man fast nichts sieht, auch wenn es noch länger ein bisschen brennt, beruhige ich mich schnell wieder. Für heute wars das dann aber mit Schwimmversuchen.

Unser Spülschwamm ist weggeweht worden, eine kleine Katastrophe, wir können ihn nicht wiederfinden. Waschen von Hand Klamotten, werden aber leider nicht mehr trocken heute. Merke eine ziemliche Erschöpfung von dem Dosenfleisch, so das Beste ist es dann wohl auch nicht. Wie eine leichte Vergiftung, die mich schwach, steif, müde und unmotiviert macht.


12.6.

Große Sensation! Das erste Sturmschwalben Küken ist geschlüpft! Soo klein und flauschig, und wie süß die Mutter, die nur ein einziges Ei in der Saison legt, sich um es kümmert und mit ihm kuschelt! Sofort schicken wir Verónica eine SMS mit der guten Nachricht. Als wir wieder in der Hütte am Mittagessen kochen sind, sehen wir plötzlich ein kleines Boot, das genau auf unsere Insel zuhält. Das ist doch das Schlauchboot der Ranger! Aber es sind noch mehr Leute im Boot. Wir gehen runter zum Anleger, Pedro, der Parkdirektor und noch ein paar Schüler sind mitgekommen. Er erklärt uns, dass sie heute eine Führung mit ca. 40 Leuten (sie müssen ziemlich häufig hin und her fahren mit dem kleinen Bootchen) von Graciosa zu Bildungszwecken über die Vogelinsel machen. Wir sind besorgt wegen der vielen Bodenbrüter, aber die meisten Nester sind ohnehin von den Staren geräubert worden, leider. Aber wir genießen es auch total, mal wieder ein paar andere Leute zum Plaudern zu haben und können uns noch gut mit Pedro austauschen, der viel über die Vögel und Eidechsen weiß. Später dürfen sich die jungen Leute auch noch unsere Biologenhütte von innen ansehen, wir sind eine richtige Sensation! Wobei die meisten eher damit beschäftigt sind, Selfies von sich aufzunehmen.


13.6.

Ausschlag am Fuß flammt immer wieder auf, brennt, nässt etwas. Mein Versuch, mit einer Inselreise dem Schimmel zu entkommen, kann man wohl als gescheitert ansehen, denn seit ich hier bin, ist es unfassbar feucht und kühl, in allen Häusern riecht es etwas muffig, teilweise sieht man ernsthafte Wasserschäden. Auch unsere Schutzhütte befindet sich nur ca. 20 m vom Meer entfernt, nachts wird es fast immer feucht durch die Gicht, alle Klamotten sind immer klamm und in unserem Vorratsschrank riecht es ebenfalls etwas muffig. Schulter immer noch recht verspannt, blockiert und schmerzend, aber schon besser. Sehr windig, einfach unangenehm, dafür aber heute viel Sonne, doch durch den extremen Wind immer noch ungeeignet zum Schwimmen. Steffi wird ziemlich von einem Coryweibchen gebissen und ihre Mütze fast ins Meer geweht. Meine Fallen werden immer besser, Eidechsen mögen Datteln! Küken wohlauf und etwas zugenommen. Ein paar neue Sturmschwalbenpärchen haben sich eingenistet, haben sie beringt.


14.6.

Wir wachen auf und ein Geräusch fehlt: Es weht kein Wind! Es ist ein richtig schöner Morgen und verspricht ein schöner Tag zu werden. Beginne den Morgen mit meiner Qigong Übungsreihe und Dehnübungen, tut mir sehr gut. Bei unserem Kontrollgang entdecken wir zwei neue Küken! Außerdem zwei Corys, die uns noch gefehlt hatten. Jetzt fehlt nur noch einer! Nach dem Mittagessen wollen wir uns endlich mal richtig ins Meer wagen. Versuchen es erst auf der einen Seite, ich mit Taucherbrille voraus, um nach Seeigeln und Quallen Ausschau zu halten. Wegen der Wellen und vielen Steine echt schwierig, werde einmal ziemlich von den Füßen gerissen und unkontrolliert zwischen den Steinen hin und her gedrückt. Schnorchel dann kurz, das Wasser ist wahnsinnig klar und viele Fische, aber Ohgott, Quallen ohne Ende! Und viele Seeigel am Boden. Ich flüchte nur noch aus dem Wasser, völlig unbeschadet. Gehen dann auf einer anderen Seite der Insel rein, recht flach und fast keine Quallen und Seeigel! Auch weniger Wellen. Können mal richtig raus schwimmen und ich genieße die Unterwasserwelt und finde ein paar schimmernde Haliotis-Schalen. Am Ende wird Steffi leider fies genesselt, aber man sieht nicht viel auf der Haut. Dann räkeln wir uns noch ein bisschen in der Sonne, machen ein bisschen Gymnastik und Muskeltraining.

Dann gehe ich nach meinen Eidechsenfallen schauen und bleibe eine Weile für Beobachtungen und gehe dann auf einer Felsenterasse meditieren. Über mir der blaue Himmel, unter mir das rauschende Meer. Ich kann ganz gut entspannen, aber dieser absolut erhabene, gelöste Zustand tiefer Meditation will sich nicht einstellen. So ganz kann ich die Gedanken im Kopf nicht ausschalten. Ich entschließe, zurück zu gehen, dann bleibt mein Blick noch einmal an den Wellen haften. Die Schwingungen hypnotisieren mich. Dieses geordnete Chaos, das festen Mustern folgt. Ich weiß, dass unser Gehirn dazu neigt, sich mit natürlichen Wellen zu synchronisieren, wenn man es lässt, dem Prinzip folgen Binaurale Beats und andere Formen der Musiktherapie. Ich lasse mein ganzes Sein sich völlig auflösen in diesen Schwingungen und plötzlich ist er da, dieser zeitlose Zustand, den man nie wieder verlassen will, in dem man alles zu verstehen scheint und es gleichzeitig keine Fragen mehr gibt. Ich schließe die Augen und kann Gedanken denken und auch völlige Stille in meinem Kopf haben, ganz so, wie ich es gerade möchte. Mein Gehirn schwingt nun genau nach meinem Willen. In so einem Moment weiß man, dass es keine Grenzen gibt, dass alles möglich ist. Es gibt keine Angst und keine Sorgen mehr. Ich kann nun sämtliche Gedanken einspeisen, die ich in meinem Kopf haben will, nämlich dass ich stark und mutig bin, dass ich genau hier sein will, dass ich dieses neue Land aus freien Stücken erobert habe und mir alle Möglichkeiten offen stehen und ich noch viel Größeres erreichen werde. Auch erwecke ich Gedanken der Liebe an meine Lieben daheim, an die guten Menschen, die wir hier kennen lernen durften, und an Steffi, die meine Verbündete in diesem Projekt ist und auch eine Art Mentorin, die mir an die Seite gestellt wurde, damit ich eine neue Lektion lerne und mental wachse. Es ist nicht immer einfach mit uns, da wir zwar extrem viele sich überschneidende Interessen haben, von unserem Wesen aber grundverschieden sind und uns in unterschiedlichen Lebensabschnitten befinden. Ich will diesen Zustand am liebsten nie mehr verlassen, nicht mal die herannahende Kühle stört mich, doch irgendwann empfinde ich, dass es Zeit ist, wieder zurück zu gehen.

Steffi ist etwas schlecht gelaunt, da ich so lange weggewesen bin, aber irgendwie gelingt es mir jetzt, für sie Verständnis zu empfinden, das Feedback als solches anzunehmen und gleichzeitig meine Bedürfnisse zu erklären und zu ihnen zu stehen. Wir gehen dann noch unseren ersten Seeschwalbenfangversuch mit der Käfigfalle machen und sind sogar erfolgreich! Ein tolles Erfolgserlebnis, das zusammenschweißt (und einfach ein wunderschönes Tier).


15.6.16

Wieder ein wunderschöner sonniger Tag, den ich mit Qigong starte. Heute zwei etwas niederschmetternde Erlebnisse: Ein sehr ängstliches und unruhiges Coryweibchen (noch unberingt und wohl noch nie von einem Menschen gehändelt) tritt kräftig aus, sodass Steffi es nicht halten kann, als ich die Fußvene am Punktieren bin und ich durchsteche komplett Vene und Schwimmhaut, es blutet kräftig, sieht furchtbar aus, lässt aber schnell wieder nach. Sie ist so gestresst, dass ihr Flüssigkeit aus Augen und Nasenlöchern läuft und sitzt auch nachdem wir sie ins Nest zurückgebracht haben noch lange schwer atmend und bebend da, unter Schock. Wieder einmal zweifle ich die Sinnhaftigkeit unserer Arbeit an. Ich bin doch eher der Theoretiker. Vielleicht bin ich auch einfach nur zu sensibel, doch ich weiß, dass in der Hirnchemie bei Tieren im Grunde dieselben Reaktionen ablaufen wie bei uns, auch bei Stress oder Angst. Finden dann noch an der Stelle, an der sich gestern noch ein Seeschwalbennest mit zwei Eiern befunden hat, kaputte Eischalen und zwei ziemlich weit entwickelte, tote Embryos. Sehr traurig, aber ich beschließe, sie in Alkohol zu konservieren, so haben sie vielleicht noch einen Nutzen. Später stirbt auch noch ein altes Eidechsenmännchen in einer meiner Plastikflaschenfallen, vielleicht aus Stress? War auch ein Wiederfang, den anderen geht es gut. Ich nutze wenigstens die Gelegenheit, Gewebeproben nehmen, seziere sie auch und entnehme den Magen, für meine Ernährungsstudie.

Steige dann nochmal runter zum Rockpool, denke wieder, dass ich das nie mehr mache, die Höhe ist schon Wahnsinn, aber meine Höhenangst scheint nachgelassen zu haben, trotzdem bin ich voller Adrenalin. Unten probiere ich zum ersten Mal die geliehene Actioncam mit ihrem Unterwassergehäuse aus, macht echt Spaß! Dabei schwimme ich mit der Stirn gegen eine Qualle, sogar hierdrin sind die, grr! Ich haste ein paar Meter weg in schnellen Zügen, aber gerate diesmal nicht so in Panik. Es brennt zwar fürchterlich und noch für zwei Stunden, aber sieht nur aus wie ein Mückenstich. Abends entfache ich unser erstes Lagerfeuer, klappt auf Anhieb, bin sehr stolz, hatte wenig Erfahrung bisher und mich nie so rangewagt. Essen unser Abendessen am Lagerfeuer, zum Grillen haben wir nichts, aber finden noch einen alten Topf, in dem wir Popcorn machen! Esse dazu Datteln, außerdem hat Steffi Tee aus Zitronensaft, Zimt, Ingwer, Salbei und Honig gemacht, ich trinke ein halbes Glas, klappt einwandfrei. Die Stelle an meinem Fuß scheint nur auf Schimmel und Histamin zu reagieren, aber nicht auf Fruktose und Citronensäure. Es wird eine sternenklare, fast windstille Nacht.


16.6.

Ohnein… das dritte Küken, das aus Nest 57, ist gestorben… aber den anderen geht es zum Glück gut und sie nehmen kontinuierlich zu. Sind aber beide sehr geknickt. Ich merke, dass ich mittlerweile richtig drin bin in unserer Arbeit, dass ich es wirklich als meins beansprucht habe und mich nun sehr verantwortlich für alles fühle. Mir geht’s auch mental gut vom Essen her, die letzten Dosen Cornet-Beef habe ich gut vertragen. Steffi und ich sind ebenfalls ein super Team geworden, wir wissen jetzt besser, wie der andere tickt, und sie akzeptiert, dass ich öfters Zeit ganz für mich und meine Freiheit brauche, akzeptiert auch voll und ganz meine besondere Ernährungsweise und beginnt nun selbst, sich für eine gesündere Ernährung zu interessieren, und ich schaffe es immer besser mental, auf ihr starkes Geselligkeitsbedürfnis einzugehen oder verstehe jetzt auch, dass sie einfach mehr Feedback und Absprachen braucht und genieße es auch mal, einfach mit ihr zu quatschen. Vielleicht ist es wirklich gerade gut, dass wir so ähnlich und so verschieden sind. Von unseren Einstellungen und Interessen her passen wir gut zueinander, und bei den anderen Sachen ergänzen wir uns ziemlich gut. Auch die Handgriffe bei der Beringung laufen inzwischen stressfrei und gut eingespielt aufeinander ab.

Nachmittags kommen Pedro und Luiz, der Parkdirektor und der Ranger, mit dem Boot vorbei, sie bringen neue Kanister gefüllt mit Leitungswasser zum Spülen und Kochen und haben uns Koteletts, Eier und neue Spülschwämme mitgebracht! Echt super! Sie gucken, was mit dem Solarpanel draußen nicht stimmt, denn ich kann meinen Laptop nicht mehr aufladen, aber so richtig klappt es noch nicht, so ein Mist. Später gehe ich noch schnorcheln, dann fangen wir noch eine Flussseeschwalbe. Auf dem Rückweg bleiben wir staunend stehen, denn plötzlich können wir durch das Abendlicht am Horizont die Nachbarinsel von Graciosa klar erkennen, die Strukturen der Landschaft und mit dem Fernglas sogar einzelne Häuser! Sie erscheint plötzlich nicht mehr wie ein ferner Schatten, sondern zum Greifen nah. Ich nehme es als gutes Omen und als Ermutigung, mich zu neuen Ufern vorzuwagen.

Do not go where the path may lead; go instead where there is no path and leave a trail. ~Ralph Waldo Emerson

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